Foto: Lebenshilfe OÖ

Mit dem Job wachsen

Auf dem Bild sieht man Christian Mayrhofer
Christian Mayrhofer

Vom Zivildiener zum Bereichsleiter: Christian Mayrhofer, 37, hat seine Karriere in der Lebenshilfe als Zivildiener begonnen, heute ist er als Bereichsleiter für zehn Werkstätten mit 550 Beschäftigten und 250 Mitarbeiter*innen zuständig.

Ausbildung: Diplomsozialbetreuer Behindertenbegleitung, Gewaltpädagoge
In der Lebenshilfe Oberösterreich seit:
2011, Lebenshilfe Niederösterreich von 2004 bis 2011

„Das ich Zivildienst machen will, war für mich immer klar“, leitet Christian Mayrhofer den Bericht über seinen Werdegang in der Lebenshilfe ein. Dabei schwebten ihm jedoch die ihm bekannten Zivildienststellen beim Roten Kreuz oder im Altenheim vor. Als die Zivildienstserviceagentur dann mit dem Vorschlag Lebenshilfe kam, musste er erstmal danach Googeln, bevor er vorwiegend aufgrund der Nähe zu seinem Wohnort zusagte. Dass er dann nach seinem Zivildienst in Haag in Niederösterreich bis heute im Sozialbereich tätig sein würde, war damals überhaupt nicht im Lebensplan des ausgebildeten Maschinenbauers.

Sprung ins kalte Wasser

Der Start in die Lebenshilfe war für Christian Mayrhofer ein Sprung ins kalte Wasser. „Ich wurde gar nicht lange eingeschult, sondern kam gleich in die Gruppe und ins Tun“, blickt er zurück. Als Springer zwischen Wohnhaus und Werkstätte erhielt er vielfältige Einblicke und im direkten Anschluss an seine Zivildienstzeit wurde ihm eine Stelle als Krankenstandsvertretung angeboten. Rückblickend betrachtet aus Bequemlichkeit, sich nirgendwo bewerben zu müssen, hat er damals angenommen. Aus dem befristeten Job wurde eine Fixanstellung und kurz darauf die Vertretung der Einrichtungsleitung. Schließlich startete Christian Mayrhofer die Ausbildung zum Diplomsozialbetreuer in Linz. „Ich hatte das Gefühl, da kann ich was bewirken“, erklärt er seine Beweggründe, zu bleiben. Mit den wachsenden Einblicken in den Behindertenbereich kamen auch die Ideen, wie man Dinge möglicherweise besser machen könnte und so strebte Christian Mayrhofer eine Stelle als Einrichtungsleitung an.

Von der Pike auf mitgewirkt

Im Mai 2011 ging die neu gebaute Werkstätte Niederneukirchen der Lebenshilfe Oberösterreich in Betrieb – mit Christian Mayrhofer als Einrichtungsleiter. „Ich habe den zugestandenen Handlungsspielraum als Einrichtungsleitung immer sehr geschätzt“, berichtet er. In Niederneukirchen konnte er von Anfang an mitgestalten und viele wertvolle Erfahrungen sammeln. Von der Aufnahme der Beschäftigten über die Auswahl der Mitarbeiter*innen und auch erste Kooperationen der Integrativen Beschäftigung fiel alles in seinen Verantwortungsbereich. „Besonders das Thema Gewalt war sehr präsent in der Werkstätte Niederneukirchen. Aber gerade diese Menschen brauchen eine professionelle Begleitung um andere Bewältigungsstrategien zu entwickeln und wer soll ihnen diese bieten, wenn nicht wir?“, fragte sich Christian Mayrhofer bei der Aufnahme der Beschäftigten. Das Mitarbeiter*innenteam meisterte herausforderndes Verhalten der Beschäftigten mit viel gegenseitiger Unterstützung und eignete sich sowohl in der Praxis als auch durch externe Beratung viel fundiertes Fachwissen an.

An den Aufgaben gewachsen

„Als Einrichtungsleiter habe ich viel gelernt“, blickt Mayrhofer zurück. „Dadurch, dass ich immer wieder meine eigenen Grenzen überschreiten musste, habe ich mich persönlich weiterentwickelt. Bei manchen Herausforderungen, die heute schon Routine für mich sind, wäre ich in meinen Anfangsjahren schreiend davongerannt. Jetzt daugts ma, Lösungen zu finden – selbst bei kniffligen Situationen“, erklärt Christian Mayrhofer. Nicht zuletzt seine Ausbildung zum Gewaltpädagogen hilft ihm dabei, mit viel Ruhe und Bedachtheit Wege und Lösungen zu suchen.

Weitere Lernpunkte ergaben sich für Christian Mayrhofer in seiner Zeit als Einrichtungsleiter auch dadurch, dass er Dinge immer hinterfragte – auch das eigene Tun und Handeln. Er ist ein Fan davon, Dinge anzusprechen statt stillschweigend hinzunehmen. „Anzusprechen, was man wahrnimmt, bedeutet oft ein Verlassen der Komfortzone. Aber nur mit Harmonie findet keine Entwicklung statt. Etwas Reibung ermöglicht erst Weiterentwicklung“, findet er. Einen Austausch der Blickwinkel schätzt und sieht er als befruchtend an.

Authentisch durch eigene Erfahrungen an der Basis

Interimistisch nahm Christian Mayrhofer 2016 die damals offene Teilzeitstelle als Bereichsleiter Wohnen an. 2018 wechselte er Vollzeit in die Bereichsleiterposition Arbeit & Integrative Beschäftigung Ost, die er noch heute innehat. In diese Funktion bringt er nun nicht nur Erfahrung als Zivildiener, sondern auch als langjähriger Basismitarbeiter und Einrichtungsleiter mit. Auf diese kann er jederzeit zurückgreifen, um Probleme und Herausforderungen im Arbeitsalltag nachzuvollziehen. „Es ist für mich eine große Hilfe, wenn ich authentisch sagen kann: Ich verstehe das Problem, trotzdem ist das jetzt notwendig“.

Grundmotivation für einen Führungsjob war für ihn schon sehr früh, Dinge für die Menschen mit Beeinträchtigung zum Positiven zu verändern. „Das war mir schon ein Anliegen, als ich Einrichtungsleiter wurde und ist es heute noch. Wenn es stressig ist oder schwierig wird, führe ich mir das immer bewusst vor Augen“, sagt Mayrhofer.

Visionär und Krisenmanager

Als Bereichsleiter ist Christian Mayrhofer für zehn Werkstätten zuständig, in denen er Hand in Hand mit den Einrichtungsleitern nicht nur die qualitative Begleitung der dort beschäftigten Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung sicherstellt, sondern auch die konzeptionelle Weiterentwicklung der agogischen Angebote vorantreibt. Rund 550 Beschäftigte und 250 Mitarbeiter*innen fallen in seinen Verantwortungsbereich – da ist seine Expertise auch bei Konflikt- und Krisensituationen gefragt. „Ein enger Kontakt zu den Einrichtungsleitern ist essentiell – dieser findet sowohl persönlich als auch telefonisch statt“, erklärt Christian Mayrhofer.

Einerseits werden zwischen drei und fünf Werkstätten pro Woche von Christian Mayrhofer besucht, andererseits ist er auch zwei Tage pro Woche in der Landesleitung, um an Besprechungen im agogischen Team teilzunehmen oder in Projektgruppen mitzuwirken. „Hier kann ich viel entwickeln und mitreden. Ich war schon immer am großen Ganzen interessiert“, bringt er seine Motive vor. Viel Zeit bleibt auch im wahrsten Sinne des Wortes „auf der Strecke“, denn zwischen Freistadt, St. Florian und Grein sind einige Kilometer zurückzulegen, die sich auch zeitlich niederschlagen.

Darüber hinaus führt er den Bewerbungsprozess bei der Besetzung von Einrichtungsleiterpositionen und ist für die Personalmengensteuerung und Steuerung der Fortbildungsangebote in „seinen“ Werkstätten zuständig. Dazu gebe man noch eine tüchtige Prise administrative Aufgaben, Abarbeiten von Mails, persönliche Dokumentation – so erhält man einen groben Einblick in das umfangreiche Aufgabenpaket eines Bereichsleiters.

Erfolgsgeheimnis Handlungsspielraum

Den Handlungsspielraum den Christian Mayrhofer selbst als Basismitarbeiter und Einrichtungsleiter erfahren hat, gibt er gerne weiter. „Man muss für die Basismitarbeiter einen Rahmen für die Kernarbeit schaffen, so gut es geht. Spezielle Situationen kann man aber nur bedingt durch Richtlinien lösen. Da kommt der Handlungsspielraum ins Spiel, um vor Ort passende Lösungen zu finden“, erklärt er.

Der eigene Handlungsspielraum ist für ihn auch ein Motivationsgrund: „Wenn man sieht, wie Ergebnisse des eigenen Handelns sichtbar werden, ist das sehr motivierend. Auch wenn in der Lebenshilfe kein „Produkt“ herauskommt das sofort sichtbar ist. Dinge verändern sich bei uns oft langfristig, dafür sind in unserem Job immer Menschen involviert, bei denen man etwas zum Positiven verändern kann. Das beschert aus meiner Sicht die größte Zufriedenheit im Job“, sagt Christian Mayrhofer.

Schlüsselkompetenz Kommunikation

Als Bereichsleiter findet sich Christian Mayrhofer ganz oft in der Vermittlerrolle wieder – zwischen Einrichtungsleiter*innen und Angehörigen, aber auch Mitarbeiter*innen. „Oft geht es nur darum, unterschiedliche Bilder abzugleichen. Wenn man geeignet miteinander kommuniziert, lässt sich vieles recht einfach lösen. Schließlich wollen wir ja alle dasselbe: das Beste für die Menschen, die wir begleiteten.“

Was Mayrhofer an seinem Arbeitsplatz schätzt, ist das ziehen an einem Strang. „Das Miteinander ist spürbar, zwischen Mitarbeiter*innen, aber auch zwischen den Einrichtungen und der Landesleitung. Man hat viele Freiräume und trotzdem geht man den gemeinsamen Weg – das freut mich!“

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